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Janet Frame: Ein Engel an meiner Tafel:

 

Der Klappentext lässt eine besondere Gemeinsamkeit mit unserem letzten Buch erkennen: Die Protagonisten sind äußerst tragische Figuren, die ihre Emotionen nicht zulassen können.  

Der Roman ist eine Autobiographie, also vom Standpunkt der Verfasserin erzählt. Es ist ein trauriges Buch Janets Geschichte, wenn auch mit positivem Ausgang.

Die Autorin schreibt nüchtern und knapp, ohne Schnörkel, es sind die Metaphern in ihren Gedichten, die die Gefühlswelt widerspiegeln und sich ebenfalls im Werk befinden.

Tod der Mutter Seite 236: „….die Dezembersonne, glühendste Todesanwältin, in diesem ihrem dreiundsechzigsten Jahr(…)“

Schon die Kindheit beginnt tragisch, in einer Familie in ärmsten Verhältnissen. Der Bruder leidet an schweren Epilepsie-Anfällen, und 2 ihrer Schwestern werden bei Bade-Unfällen unabhängig voneinander aus dem Leben gerissen.

In ihrer Studienzeit fällt die furchtbare Fehldiagnose Schizophrenie, derentwegen sie acht Jahre lang unter entsetzlichen Bedingungen weggesperrt wurde.

 

Wie hat es uns gefallen:

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Wir empfanden als Leser oft die Ängste ihrer Wahrnehmung und die damit verbundenen Einflüsse auf ihr Gemüt befremdlich. Sie scheint eingeschlossen In ihrem Kokon aus Einsamkeit, grenzenloser Naivität, Scham und Schüchternheit. Schwierig ist ihre soziale Phobie, Angst vor alltäglichen Situationen nachzuempfinden.

Seite 27: „Viel von meiner Zeit und meinen Erfahrungen als Studentin ist mir heute verschlossen (…)...Ich hatte keinen Begriff vom Ausmaß meiner Einsamkeit. Ich klammerte mich an die Werke der Literatur, wie ein Kind sich an seine Mutter klammert.“

 

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Sie erscheint uns oft sehr herb, fast herzlos. Das emotionslose Schildern der Erlebnisse lässt keine Bilder aufsteigen, nur Verwunderung und kommt manchmal einer Aufreihung der Tätigkeiten oder Ereignisse sehr nahe.

Beispiele:

  • Sehr unverständlich das Verhältnis, der Umgang mit der Mutter, ihre Einschätzung der Liebe ihrer Mutter: „so herzlos wie sie möchte sie nie sein.“

  • Seite 227: „ich komme nie mehr zurück nach Willowglen. Meine Worte waren verletzend und ich wusste es.“

  • Seite 233: „Niemand erwartete von mir, dass ich an Mutters Begräbnis teilnahm.; ich erfüllte die Erwartungen meiner Familie, indem ich mich nicht dazu imstande fühlte.“

 

Wir empfanden als besonders berührend:

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Ihr fehlendes Selbstwertgefühl, die Schwermut, Wer glaubt an mich ?

 

Seite 156:“Statt mich einer Lobotomie zu unterziehen, wurde ich als Person mit einem gewissen Wert behandelt, als menschliches Wesen…„

Seite 158: „Nola starb vor wenigen Jahren im Schlaf. Das Vermächtnis ihrer entmenschlichenden Veränderung lebt zweifellos weiter in allen, die sie kannten, ich trage es für immer in mir.  

Seite 273:“ .. das Land verlassen…(…) aus einem Land zu fliehen, in dem meine Andersartigkeit , die in meinem Wesen lag, und selbst mein Wunsch zu schreiben..(..) als Anzeichen von Abnormalität betrachtet wurden.“ …(..)

 

Wir sprachen über:

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  • Die furchtbaren Behandlungsmethoden der damaligen Zeit, wo Janet durch die Fehldiagnose Schizophrenie über 200 Elektroschock-Behandlungen erleiden musste.

  • Seitens der Eltern fanden wir positiv bemerkenswert, dass sie in den 40er Jahren trotz Armut, als junge Frau studieren durfte.

  • Die Ambivalenz ihrer Person:

Seite 89: „Innerlich lächelte ich überheblich. Von wegen Begabung für das Schreiben! Das Schreiben würde mein Beruf werden.“

Seite 31: „Meine Unzufriedenheit mit meinem Zuhause und meiner Familie war groß. Die Unwissenheit meiner Eltern machte mich wahnsinnig.“

Seite 30: „..wenn ich die Münzen einwarf. Ich starb beinahe vor Scham.“

Seite 36: „Nur drei oder vier Mal war ich kühn genug, mir ein Exemplar des Critic zu nehmen“…

Seite 48: „…bei der Vorstellung, mit Isabell ‚zurande kommen‘ zu müssen, überfiel mich Panik

 

Zum Buchtitel:

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Ein Engel...:

Ein Schutzengel?, der sie im quasi letzten Augenblick vor der Lobotomie bewahrte?; oder:

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Der „Retter“  (Engel) Frank Sargeson: Seite 208 „Der Preis, den ich für den Aufenthalt in der Militärbaracke zahlte, war das Bewusstsein der Wertlosigkeit meines Körpers. (…) Im Austausch gegen diese mangelnde Selbstachtung als Frau gewann ich ein Leben, wie ich es mir gewünscht hatte.

 

Fazit:

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Nichts ist umsonst, sie zahlte einen hohen Preis. Eine Frau, deren Obsession das Schreiben war, das sie als  Dreh- und Angelpunkt in ihrem Leben empfand.

 

Vergleich:

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Besonders eindrücklich mit poetischen Bildern ist die Trilogie des Lebens von Janet Frame adaptiert in dem preisgekrönten Film von Jane Campion, den wir sehr empfehlen. 😉

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