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Minna Rytisalo: LEMPI das heißt Liebe

Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat

Der junge Bauernsohn Viljami hat sich in Lempi, die Tochter des Ladenbesitzers aus der kleinen StadtRovaniemi, verliebt. Hals über Kopf heiraten sie, und Lempi, der das Landleben fern ist, zieht zu Viljami auf den Hof. Um sie zu entlasten  und über die Trennung von ihrer Zwillingsschwester hinwegzutrösten, stellt ihr Mann die Magd Elli ein, die insgeheim glühend eifersüchtig ist und selbst gern an seiner Seite wäre. Nach einem einzigen glücklichen Sommer  wird Viljami zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zurückkehrt, ist die Stadt zerstört und Lempi verschwunden. Dass sie wie ihre Schwester Sisko mit einem Wehrmachtsoffizier nach Deutschland gegangen sein soll, kann er sich nicht vorstellen. Viljami, die Magd Elli und Sisko erinnern sich an Lempi - aus ihrer jeweils eigenen, sehr individuellen Perspektive. Vielschichtig, emtional, eindrucksvoll: die Geschichte einer tragischen Liebe vor dem Hintergrund des Lapplandkrieges.

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Rytisalo stammt aus Lappland und arbeitet als Finnischlehrerin. Sie betreibt im Internet einen literarischen Blog. 2016 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Lempi, der in Lappland angesiedelt ist. Er wurde als bester Roman 2016 mit dem Blogistania-Finlandia-Preis ausgezeichnet, außerdem erhielt Rytisalo 2017 den Botnia-Literaturpreis.

Gefallen:

Einhellig ist das Werk bei allen Teilnehmerinnen sehr gut angekommen.

Die Lebendigkeit der Sprache, mit der sich die 3 Ich –Erzähler*Innen sich förmlich ins Ohr graben, nimmt alle gefangen.  Auch dass jede /jeder mit einer ganz eigenen Stimme berichtet,  wie er die Protagonistin  für sich wahrgenommen und gefühlt hat.

Die Diskussionsrunde wird bereits sehr lebendig bei der Frage der Identifikationsfigur, bzw. welche Perspektive der Erzähler*innen am meisten an den einzelnen Lesekreisteilnehmer emotional herankommt .-

  • Viljami , der Ehemann, die Schmetterlinge der 1. Liebe im Bauch, kehrt traumatisiert vom Krieg zurück , führt eine innere Zwiesprache, in der er das Kennenlernen Lempis, sowie die wenigen Monate des Zusammenlebens Revue passieren lässt und seine bedingungslose Verehrung pflegt. Das Bewusstsein der Leere im Dasein des Heimkehrers. Seite 65: "Die Schotterstraße nehme ich nicht. Die ist für Menschen, die wissen, wohin sie wollen, und nicht schnell genug am Ziel sein können."

              

Vergleich:  Wolfgang Borchert, „Draußen vor der Tür„

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  • Dann Elli , die Magd, im Vorhinein vom Schicksal benachteiligt, was ihre Behinderung, soziale Herkunft, finanzielle Situation und zumindest in ihrem Fühlen auch das Aussehen betrifft. Der Ton ist oft hasserfüllt und von Neid gebeutelt, ist doch Viljami ihre Liebe auf den ersten Blick, den sie mit allen Mitteln versucht, für sich zu gewinnen, dass er ihre Werte und Qualitäten erkennen möge.

  • Ihre Erzählung als alte Frau gibt Sisko, die Zwillingsschwester wieder, sie war zum Zeitpunkt des Dramas mit einem deutschen Offizier liiert, der sie letzten Endes sitzen ließ. Sie berichtet von der innig-intensiven Beziehung der Zwillingsschwestern, richtungsweisend wie ein morphogenetisches Feld, spürt in sich nach, wie es der Zwillingsschwester gehen könnte, was gerade mit ihr passiert, dann geschehen ist. Endet in einer Art Ringstruktur, ich muss die Kinder meiner Schwester retten, bin nun für sie da.

 

Die Hauptfigur Lempi ist da und doch nicht da.  Wie wird Lempi vom einzelnen beurteilt:  Wirklich faul, herablassend, selbstgefällig? Oder einfach eine junge, doch etwas verwöhnte Kaufmannstochter, die die Härte des Bauernlebens in der Einsamkeit unterschätzt hat.

Ein Buch mit Diskussionspotenzial ;-) !

Bei der Stimmung im Werk werden Verbindungen zum „Seelenhaus“  geknüpft. Die nordische Mythologie, die das Wesen und Dasein  von Elli bestimmt, die Flüche, mit denen sie Lempi mit bösen Verwünschungen belegt.  

Darüber hinaus stellen sich viele offene Fragen, die den Spannungsbogen des Buches  noch steigern

  • Das Zeitfenster einer Nacht für Geburt und Tod und der Löschung der Spuren, nicht zuletzt „Verschwindenlassen“ der Leiche

  • die Erfolgsleiter von Sisko, von der Verlassenen Rückkehrerin , zur Ehefrau, der Mutter, Studium und Karriere

Nicht gefallen bzw. kritisiert wurde, dass die Zusammenhänge des 2. Weltkrieges insbesondere darin  die Rolle Finnlands nur angerissen, und erst mit dem Nachwort der Übersetzerin  dankenswerter Weise mehr herausgearbeitet wurden

 

Zum Lob des Nachworts der Übersetzerin und eines zum Cover des  Buchs:

Die Erklärung  zu der  schemenhaften Figur der lebensfrohen Lempi,  fand ich großartig:  Dass Elli sie durch ihre erhebliche  Leseschwäche so unscharf gesehen hat.  

An dieser Stelle möchte ich mich sehr für die immer fruchtbaren und bereichernden Gespräche und Diskussionen unseres Lesekreises bedanken und freue mich auf viele weitere Begegnungen!

 

Fazit: eine Empfehlung für Minna Rytisalo’s LEMPI!!!

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