Marie Benedict: Frau Einstein
Die amerikanische Autorin Marie Benedict stellt uns in ihrem Roman Frau Einstein Mileva Marić vor, die erste Ehefrau von Albert Einstein. Der Roman basiert auf – und orientiert sich an – historischen Begebenheiten. Diese werden mit erfundenen Wahrheiten angereichert. Wieviel Dichtung steckt in der Wahrheit? Oder umgekehrt: wieviel Wahrheit verbirgt sich in genau dieser Dichtung? Um diese Fragen wird der Leser von Frau Einstein nicht herumkommen. Wir kennen Mileva Marić nicht. Aber alle Welt meint, Albert Einstein zu kennen. Das irre Genie mit der wilden Frisur. Der Erfinder, der Entdecker oder der Vater der Relativitätstheorie, der uns frech seine Zunge entgegenstreckt. Auch mit diesem Albert Einstein macht uns Marie Benedict in Frau Einstein bekannt. Und soviel sei vorab verraten: sie lässt kein gutes Haar an dem brillanten Wuschelkopf. Und alles – somit auch der Weg zur Relativitätstheorie – ist relativ.

Heather Bendedict Terrell schreibt einige ihrer Romane als Marie Benedict ist geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law.
Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh.
​
Das Thema und vielleicht auch Leidenschaft der Autorin ist es, die verborgenen Geschichten bedeutender Frauen zu erzählen. Es soll eine Reihe entstehen: Frau Einstein, 2. Buch Lady Churchill, in Arbeit: Mrs. Agatha Christie
Frau Einstein ist ein historischer Roman von 337 Seiten, keine Biografie
​
Uns hat gefallen:
Das Buch ist gut recherchiert, lässt sich lebendig und flüssig lesen, wobei der Focus als Antipathie-Träger mit Fortschreiten der Geschichte immer mehr statt weniger Herr Einstein ist und bleibt. – Hier relativiert sich nichts!
​
Was hat uns gestört
Das Buch hat uns gemeinsam zu dem Ergebnis kommen lassen, dass Albert Einstein in der Erzählung bei aller fachlichen Genialität eine emotionale Dysfunktion bescheinigt werden kann. Er erscheint charakterlich als egozentrischer Narzisst. Diesen Eindruck vermitteln auch die Nachforschungen, die zum Thema Mileva Maric in einem WDR-Beitrag verarbeitet: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag3312.html
Berührt hat uns die Stimmung im Werk
Die Ohnmacht von Mileva stimmt fast aggressiv. Die Haltung der Mutter mit ihrem Rat, die erst- und unehelich geborene Tochter in ihrer Obhut zu lassen und Einstein nach Bern zu folgen. Ein Entschluss, den Mileva bitter bereuen sollte.
Zitate:
„Du bist ein Genie. Aber in Herzensangelegenheiten versagst du völlig“ S.248
Einzige Auflehnung gegen Albert nach Schlag ins Gesicht, S.322 -„Ich beschloss lieber Albert schlecht dastehen zu lassen“ –
die Grenzen der Loyalität!
​
Zeitgeist
Ebenso ist Einigkeit in der Lesegruppe, dass der Zeitgeist, der in der Jahrhundertwende vorherrschte, die Umstände prägte. Eine Männerdomäne, nur durchbrochen von sehr wenigen Frauen, die es wagten und auch durchsetzen konnten, eher weniger denn mehr gleichberechtigt identische Studiengänge zu belegen. – In Mileva Maric’s Fall unterstützte ihr Vater sie aus dem Gedanken heraus, dass diese als behinderte Person, mit einem höherem Bildungsniveau ihr eigenes Einkommen zu verdienen in der Lage wäre, und dadurch Glück und Zufriedenheit zu erlangen. Nach Meinung der Eltern würde ihr kein Ehemann / Versorger „beschieden“ sein. –
Die fragwürdigen damaligen Moralvorstellungen bei Scheidung
Die Frau in der Ehe emotional, ordnend, beflissen den Gatten unterstützend, aber niemals doch bitte dominierend! Immer wieder: und drinnen waltet die züchtigte Hausfrau – manchmal sogar ge-züchtigt.
Daher sah Mileva den Ausweg der Scheidung für sich sehr spät, (29. Juli 1914 S.344) da sie die Stigmatisierung in der Gesellschaft als geschiedene Frau fürchtete.
Wir sprachen über:
-
Geschlechter- Rollenverständnis heute
In der Diskussion versuchten wir uns mit dem Thema, inwieweit sich das traditionelle Rollenbild tatsächlich bis heute gewandelt hat. Haben wir unterschwellig noch diese stereotypen Geschlechterrollen? Was haben wir als die Generation der Eltern unserer Kinder getan, um dies aufzubrechen? Den Mann als Familienoberhaupt, Ernährer gibt es nicht mehr, die Männer müssen sich als gleichberechtigte Partner in der Familienkonfiguration finden und verstehen.
-
Pionier*innen der Wissenschaft, die ebenfalls in dieser Zeitspanne, Epoche lebten :
Lise Meitner, https://de.wikipedia.org/wiki/Lise_Meitner in Preußen durften zu der Zeit die Frauen noch nicht studieren, so musste sie durch den Hintereingang das Gebäude betreten und durfte die Vorlesungsräume und experimentierräume der Studenten nicht betreten. dies fiel erst 1909 als das Frauenstudium in Preußen offiziell eingeführt wurde. Sie wurde 1906 als 2. Frau an der Wiener Universität promoviert!
Marie Curie, https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Curie die gleichberechtigt mit ihrem Mann forschen durfte und von ihm Unterstützung erhielt, als 1. Frau und 1. Professorin, die 1908 an der Sorbonne lehrte.
Die Universität Hamburg zog 1985 in ihrem Begleitheft zur Ausstellung Frauen in den Naturwissenschaften das folgende Fazit:
„Marie Curie ist wegen der von ihr erhaltenen Nobelpreise in Physik (1903, gemeinsam mit Pierre Curie und Becquerel) und Chemie (1911) die wohl bekannteste Physikerin. Weniger bekannt pflegen die Schwierigkeiten zu sein, auf die sie stieß: sie wurde nicht zum Studium an der Warschauer Universität zugelassen, verdiente das Geld für ihre ersten Forschungen als Mädchenschullehrerin, und noch 1911 (!) wurde ihr die Aufnahme in die französische Akademie der Wissenschaften verweigert. Ähnlich unbekannt scheint auch ihr Engagement beim Völkerbund zu sein: Von 1922 bis 1934 war sie Vizepräsidentin der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit beim Völkerbund. Auch die Möglichkeiten einer medizinischen Nutzung ihrer Entdeckungen interessierten sie stark.“[91]
Zu benennen gewesen wäre sicher auch Clara Immerwahr https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_Immerwahr, die mit dem späteren Nobelpreisträger Fritz Haber verheiratet, ebenfalls der Ehe ihre Karriere geopfert hat, und sich jung später das Leben nahm.
Fazit:
Die Frage, wo ist der Charme der guten alten Zeit? ;-)