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Jan Weiler: Der Markisenmann

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Die Ich-Erzählerin Kim, berichtet als inzwischen 32-jährige Schauspielerin von ihren Problemen in der Familie, als verwöhnte und unzufriedene 15 Jahre alte Jugendliche und einer Tat, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Die Themen des Romans umfassen Freundschaft, Erste Liebe, das Erwachsenwerden, Rebellion und Verantwortung, Konstellationen in „Patchwork-Familien“, Verrat, die Problematik der beiden deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung und Familiengeheimnisse…

Es ist auch die Suche nach Identität, Kim’s Vater war bis zum Zeitpunkt des 1. Kennenlernens mit 15  „unscharf“, nämlich auf einer Fotografie und sonst nicht für sie vorhanden. Dies ändert sich mit ihrem Anschlag auf den Bruder. Sie darf nicht mit in den Familienurlaub, sondern muss die Ferienzeit bei ihrem leiblichen Vater, dem „Unscharfen“  in  Duisburg verbringen. Sie erkennt sich zwar visuell in ihm, der Mensch selbst ist ihr natürlich völlig fremd, ebenso seine Gründe, nie vorher Kontakt mit ihr aufgenommen zu haben....

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Wie hat es uns gefallen:

Die sich entwickelnde Vater-Tochter-Beziehung ist so anrührend, bewegend und gleichzeitig komisch geschrieben, dass es schwer fällt, das Buch wieder aus der Hand zu legen.

Großartig gezeichnet ist das Lokalkolorit des Ruhrpotts, die Charakteristik des Menschenschlags. So nah am Puls, „menschelt“ es zuhauf.

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Was hat uns gefallen:

Besonders gefallen hat uns der Schreibstil des Autors, das Herausarbeiten von Komik im Ernst der Geschichte. So die herrlichen Wortschöpfungen: – „wohlstandsverwahrlost“

Seite 122: „offenbar besaß Ronald Papen eine seit Jahrzehnten ausgebaute Wurst-Kompetenz“

Seite 198: „Stellt euch mal vor, der Lütz hat Eiswürfel gekauft, rief er. Das wird eine völlig neue Dimension von Trinkkultur. Unerhört.“

Die Figur der Außenseiterrolle, ob bei Kim, Ronald oder Alic ist sehr gut dargestellt.

Seite 257: „Dass mein Vater als Erwachsener ein Außenseiter war, darauf war ich schon selbst gekommen“

Seite 102: „Ich verstand, dass er kein eigenbrötlerischer Mensch war, eher schüchtern und abwartend.“

Auch Alic sucht nach Zugehörigkeit, Identität:

Seite 81 „Ich kann es nicht als Russe schaffen und auch nicht als Tunesier. Aber als Alik Cherif kann ich jemand sein“ „Er hatte keine Freunde, weil er sich niemanden zugehörig fühlte“.

 

Hoch interessant auch Wandel der Figur Heikos während des Buchs, wir verraten nicht, wodurch 😉

Unsere besondere Aufmerksamkeit galt Kims Mutter und deren Gefühlen in der Familie.

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Was fanden wir noch bewegend:

Die Entstehung der Vater-Tochter-Bindung ist sehr berührend.

Seite 202: „Er wollte mir bloß nichts aufnötigen, zumal er keine Ahnung von pädagogischen Ansätzen bei schwer erziehbaren sechzehnjährigen Mädchen hatte. ( ..)er erzog mich trotzdem, quasi aus Versehen, indem er mir vorlebte, wie man sich als zivilisierter Mensch verhält.“

 

Die Laufbahn Alics, der trotz überdurchschnittlicher Anlagen, hoher Intelligenz, am Tresen von Klaus „endet.“ -  Es fehlt die Förderung des Elternhauses, der Gesellschaft schlechthin.

Vergleich zu „Streulicht“.

 

Wir sprachen über:

Sehr gut fanden wir ebenfalls das Treffen der Balance, bei den Schilderungen die den Stasi-Knast, die Foltermethoden betreffen. Sie werden nicht „ausgeschlachtet“ und dennoch kann jede(r) sich vorstellen, was es bedeutet hat.

 

Fazit:

U N E R H Ö R T  😉

Wir empfehlen nicht nur einhellig den Roman, wir wählen ihn auch liebend gern als Geschenkvorschlag.

Am Ende ein kleiner Ausflug in die Musikwelt der Puhdys, dessen Text im Buch eine wichtige Rolle spielt und sehr zum berührenden Wohlfühlcharakter beigetragen hat:

Puhdys - Wenn ein Mensch lebt '79 - YouTube

 

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