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Saša Stanišić  zum Buch Herkunft

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Herkunft ist Saša Stanišić's  persönlichster Roman, er erzählt seine eigene Familiengeschichte, und von Jugoslawien, einem Land, das es nicht mehr gibt. Der Roman ist nach eigenen Aussagen essayistisch, fiktional, biografisch. Er ist am 7. März 78 in Višegrad geboren, heute Bosnien. Im Alter von 14 Jahren ist er mit der Familie 1992 nach Heidelberg vor dem Bosnienkrieg geflohen. In Heidelberg lebten sie in einem migrantisch geprägten Viertel der Stadt.

 Er erzählt von seinen Erinnerungen der Kindheit, von der Ankunft in einem fremden Land als Jugendlicher und die folgende Entwicklung. Ich möchte in diesem Zusammenhang bewusst auf den Begriff „coming-of-age“ verzichten.

Es ist sein Anliegen, seine Geschichte und die seiner Familie festzuhalten, die Erinnerung zu „konservieren“.  Sein Roman „Herkunft“ sei ein Fragen nach neuralgischen Punkten, betont er im Deutschlandfunk.

Als die Eltern 1998 in die USA gehen, (sie wandern nach Florida aus, um der Abschiebung ins ethnisch gesäuberte Višegrad zuvorzukommen) bedeutet das für Saša eine weitere Phase der Entfremdung und Anpassung an neue Lebensumstände.-

Seite 66: "Meine Familie lebt über die ganze Welt verstreut. Wir sind mit Jugoslawien auseinandergebrochen, und haben uns nicht mehr zusammensetzen können".

Der Auslöser zum Schreiben des Romans sagt er in einem Interview, "war die Demenz meiner Großmutter Christina. Ihr Vergessen der Geschichten und der eigenen Geschichte, das dazu geführt hat, dass ich ihr Fragen stelle.“

Die Großmutter lebt bis zu ihrem Ende in Bosnien. „Ich habe nach ihren Erinnerungen gesucht, gleichzeitig hat sie ihre Erinnerungen verloren. „

 

Wie hat es uns gefallen:

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Wir sind alle einer Meinung: Das Buch hat uns beeindruckt, die Geschichte sehr berührt. In Ton und Sprache sind seine Episoden vielschichtig, mit sehr viel Liebe fürs Detail wiedergegeben, reich an Metaphern. Es ist in der Tat ein Lesevergnügen. NDR Kultur spricht mit Recht von einem "besonderen Stanisic-Ton" 😉

 

Was hat uns gefallen:

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Ohne den Ernst und die Trauer zu schmälern, gelingt ihm eine Leichtigkeit des Erzählens. Ein Mosaik aus Erinnerungen, Anekdoten, Parallelmontagen und Selbstreflektion.

Seite 5: „Es ist der 7. März 2018 in Višegrad, Bosnien und Herzegowina. Großmutter ist siebenundachtzig Jahre alt und elf Jahre alt."

Seite 38: „Die Schlange sieht von ihrem Baum auf mich herab und aus meiner Kindheit in mich hinein☹….) Schon bin ich 30 Jahre jünger, ein Junge in Višegrad. Es ist ein Sommer vor dem Krieg in den unruhig träumenden Achtzigern. Vater und Mutter tanzen.“

Seite 269: „Es ist der 17. August 1992. Mutter steigt in den Bus, ich folgte. Es ist der 27. April 2018. Mutter löscht die Zigarette und steigt wieder ein. Wir fahren weiter:“

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Besonders berührt hat uns:

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Dr. Heimat Seite 175: Ein empathischer Zahnarzt, der seine Berufung lebt: Außer die Karies bei  Saša und seinen Freunden unentgeltlich zu behandeln zu behandeln, versucht er die Einsamkeit des Großvaters zu lindern. – Er lädt den Großvater zum Angeln ein.

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  • Seite 184 : Die Scham – Saša möchte niemanden mitnehmen in sein zuhause in Heidelberg  „Man sah ja, wie es uns wirklich ging“

  • Die Tragik Herkunft teilweise zu verschleiern, oder neu zu erfinden, um Stigmatisierung oder Festlegung zu umgehen. Seite 114: „Zoki kommt ins Klassenzimmer,..(…). Jeder trägt sich ein. Es gibt drei Spalten: Moslem / Serbe / Kroate. Alle versammeln sich, alle zögern.

  • Seite 229 „Ich habe das Betrügerische der Erinnerung satt und das Betrügerische der Fiktion allmählich auch (….) Wie dünn Vater in Deutschland am Ende doch war.“

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Wir haben diskutiert über die verschiedenen Möglichkeiten zum Ende des Romans: Die diversen Alternativen sind im Lesekreis auf wenig Gegenliebe gestoßen.

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Lieblingszitate:

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"Meine Großmutter besaß ein Nudelholz, mit dem sie mir Prügel androhte. Es kam nicht, ich habe aber bis heute ein reserviertes Verhältnis zu Nudelhölzern und indirekt auch zu Teigwaren." Seite 7

 

"Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat." Seite 12

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"Jedes Zuhause ist ein zufälliges dort wird du geboren, hierhin vertrieben…" Seite 119

 

"Ich glaube, dass es wenig Schlimmeres gibt, zu wissen wo man hingehört, aber nicht dort sein zu können." Seite 170

 

„Herkunft bleibt doch ein Konstrukt, es ist doch nur eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. Als solches ein Fluch, oder mit etwas Glück ein Vermögen, das keinem Talent sich verdankt, aber Vorteile und Privilegien schafft.”

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Fazit:

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Wir stimmen der Verleihung  "Deutscher Buchpreis 2019" absolut zu 😉, empfehlen das Buch und würden es auch verschenken - (habe ich schon getan) ...und natürlich noch einmal lesen, um wirklich alle Pointen und Spitzen in sich aufzunehmen! 

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