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  • Edouard Louis: Anleitung ein anderer zu | Mysite

    Édouard Louis: Anleitung ein anderer zu werden Klappentext: Mit Mitte zwanzig hat er schon mehrere Leben hinter sich: Eine Kindheit in extremer Armut, die Scham über die eigene Herkunft, die Flucht vom Dorf in die Stadt, nach Aufbruch nach Paris. Er macht sich frei von den Grenzen seiner Herkunft, nimmt einen neuen Namen an, liest und schreibt wie ein Besessener, probiert sich aus, will alle Leben leben. Er trifft sich in mondänen Hotels mit Männern, die in einer Nacht soviel ausgeben, wie seine Familie im Dorf in einem ganzen Jahr. Immer neue Welten erschließen sich ihm. Mit unbändiger Energie erfindet er sich wieder und wieder, schließt Freundschaften und hinterfragt doch die radikale Selbstveränderung, die sich nie ganz vollendet. zum Autor: Édouard Louis ist ein französischer Schriftsteller... Wikipedia zum Buch: Genre: Gegenwartsliteratur, Coming-of -Age, Autobiografie Verlag: Aufbau Verlag Berlin Übersetzerin: Sonja Finck erschienen: 2022 Seitenzahl: 272 zu unseren Lesekreis-Erfahrungen

  • Lesekreis-Erfahrungen Anleitung ein an | Mysite

    Lese-Erfahrungen in unserem Lesekreis: Edouard Louis: Anleitung ein anderer zu werden Wieder ist es ein junger Schriftsteller, der uns beschäftigt. Der Klappentext ist gleichzeitig „Die Eröffnung“. Mehr auf den Punkt bringt es der französische Originaltitel „Methode“. Es ist kein schönes Buch, keine Wohlfühl-Lektüre. Es regt zum Diskutieren an 😉. Die „Anleitung“ reflektiert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sich selbst, seinem Klassenaufstieg durch Bildung, seinem Wunsch nach Anerkennung und Glück, aber die Veränderung bewirkt auch Entfremdung , Scham und Schuld. Schlüsselsatz Seite 165: „Mein Privileg bestand darin, dass ich ein Leben ohne Privilegien kennengerlernt hatte.“ Wie hat es uns gefallen : Louis Sprachstil ist gehoben, gepflegt und elegant, erinnert in Teilen an Mercier, in der Schonungslosigkeit an Annie Ernaux. Seine Intension findet sich im 2. Prolog Seite 22: „ob ich jemals eine solche Szene würde scheiben können, eine Szene die ungeheuer weit weg von dem Kind war, das ich einst gewesen bin, und von seiner Welt, (….) alles zu erzählen, was zu dieser Szene geführt hatte,(…...) in dem Versuch,.in der Zeit zurückzugehen.“ Was hat uns gefallen: Die Meinungen sind ambivalent und meist nicht zu seinen Gunsten: Er schreibt strikt subjektiv aus seiner eigenen Perspektive, so dass der Blickwinkel einseitig bleibt. Die Selbstreflexion sind fiktive Aussprachen mit dem Vater: „Imaginäres Gespräch vor dem Spiegel“ Er will dem Milieu entfliehen, das ihn geprägt und verletzt hat. Seine Rachegedanken für eine Kindheit in einem Dorf aufzuwachsen, dessen Atmosphäre von Armut, Alkoholismus, Gewalt, Aggression, Homophobie und Rassismus durchzogen war, lesen sich wie eine Abrechnung. Die „Cuts“, („Weitere Bilder, eine Erinnerung“) die er fortwährend bei seinem Weg, den er einschlägt, begeht, sind sehr hart und lassen ihn als fast schon beziehungsunfähig dastehen. Er lässt Menschen zurück, sei es seine Familie, die 1. Freundin Elena, sowie deren Mutter, die ihn unterstützt und gefördert haben, die Bibliothekarin und später die Theaterdirektorin Babeth, die ihn fast wie einen Sohn behandelt (S.107), daher seine Schuldgefühle gegenüber denen, die ihm geholfen haben. Der Versuch, alles abzustreifen, und sein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber – („Bitte denke nicht schlecht von mir“ ) Interessanterweise sind es überwiegend Frauen. Kein Platz für Liebe, gegenseitige Freundschaft. Seite 194: - Egoismus in Reinkultur? Seite 226: „Er musste ein Millionär sein, ein Prinz, ein bekannter Politiker, egal was, Hauptsache jemand der meinem Rachedurst angemessen war – Die Besessenheit zu gefallen, und dann: „(bitte verurteile mich nicht, ich versuche nur, so ehrlich wie möglich zu sein“ Einzig mit Didier Eribon (1953 geboren) , Journalist, Autor, Soziologe und Philosoph, der sein prägender akademischer Lehrer wird, verbindet ihn bis heute eine intensive Freundschaft. Nicht gefallen: hat der ironisch-bittere Unterton, der vermitteln kann, dass er sich wohlfühlt, in der Opferrolle. Er kreist ausschließlich um die Befindlichkeiten einer, nämlich Seiner Person, mit der Transformation als Selbstrettung. die fragmentierte Erzählweise, unzusammenhängende bruchstückhafte Szenen, müssen manchmal puzzleweise zusammengefügt werden. Er spricht von „langen Stunden, in denen ich mein Leben erlernte, als wäre es eine Theaterrolle“. Dies ist der Vorwurf, der in der Gruppe mehrfach wiederholt wird: sein Text lese sich, als würde er die spätere Verfilmung bereits mitdenken. - Auch das Ende kann so ausgelegt werden -, der Epilog, das Versöhnliche, schwer glaubhaft, die Annäherung an die Familie. Wirkt es berechnend ehrlich - oder doch wie der Ausdruck jener Transformation, die jede Entwicklung vom Kind über den Teenager zum jungen Erwachsenen durchläuft, ganz gleich, mit welchen Geburts- oder Lebensumständen man antritt? Besonders berührt hat: Seine Hartnäckigkeit im Aneignen von Wissen und die Besessenheit nach Erfolg, Ruhm, Anerkennung. Seite 71: „Also tat ich für das Lachen dasselbe wie für den Dialekt: ich übte; Ich beschloss ein neues Lachen zu lernen, allein durch Willenskraft". Scham und Schuld: Seite 267 „Ich glaube, ich schreibe, weil ich manchmal alles bereue, wie ich manchmal bereue, mich von der Vergangenheit abgekehrt zu haben, weil ich mir manchmal nicht sicher bin, ob die Bemühungen zu irgendetwas nütze waren. ….um ein Glück gekämpft, das ich nie gefunden habe.“ Seite 268: "Ich vermisse die Gegenwart" Unser Fazit: Egal wie sehr du dich „neu“ erfindest, du schleppst deinen „Rucksack“ mit dir, was zu Scham und Schuldgefühlen gegenüber denjenigen führt, die du auf deinem Weg nach oben zurücklässt.

  • Wir lesen gerade: | Mysite

    Daniel Kehlmann: Lichtspiel Klappentext: Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G.W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen. zum Autor: Daniel Kehlmann, deutsch-österreichischer Autor.... Wikipedia zum Buch: Genre: Biografische Fiktion, historische Fiktion Verlag: Rowohlt Verlag erschienen: 2023 Seitenzahl: 480 (gebunden)

  • unsere Lesekreis-Erfahrungen | Mysite

    Man versteht nicht, was man nicht mit anderen teilt... Wofür du keinen Sinn hast, das geht dir verloren. (Günderrode) 20250619_113057 Zur See von Dörte Hansen Der grosse Sommer von Ewald Arenz Ich bleibe hier von Marco Balzano Ein Engel an meiner Tafel von Janet Frame Was vom Tage übrig blieb von Kazuo Ishiguro Der Markisenmann von Jan Weiler Eine englische Ehe von Claire Fuller Deine Juliet von Mary Ann Shaffer Annie Barrows Der amerikanische Architekt von Amy Waldman Die Unschärfe der Welt von Iris Wolff Die Enkelin von Bernhard Schlink was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky Stay away from Gretchen von Susanne Abel Ein anständiger Mensch von Jan Christophersen Die Geschichte der Einsamkeit von John Boyne Der weisse Tiger von Aravind Adiga Die hellen Tage von Zsuzsa Bànk Frau Einstein von Marie Benedict Jakobs Schweigen von Anja Goerz Herzfaden von Thomas Hettche Kleine Freiheit von Nicola Kabel Das Seelenhaus von Hannah Kent Maschinen wie ich von Ian McEwan 3 sind 1 Dorf von Dina Nayeri Streulicht von Deniz Ohde Ombra von Hanns-Josef Ortheil Lempi Minna Rytisalo Belletristik Turbulenzen von David Szalay Annette, ein Heldinnen-Eops von Anne Weber Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells Neujahr von Juli Zeh Das Genie von Klaus Cäsar Zehrer Die Tochter des Fotografen von Kim Edwards

  • Amy Waldmann: Der amerikanische Architek | Mysite

    Amy Waldman: Der amerikanische Architekt Klappentext: Eine Jury hat sich in Manhattan versammelt, um den besten Entwurf einer Gedenkstätte für die Opfer des Terroranschlags vom 11. September auszuwählen. Nach langwierigen Beratungen und einem zähen Ringen um das richtige Konzept öffnen die Juroren den Briefumschlag, der den Namen des bislang anonymen Gewinners enthält und sind schockiert. Eine heftige Auseinandersetzung um die Person des Architekten beginnt: Wer darf sich zum Fürsprecher der Trauernden erheben? Innerhalb der Jury setzt sich Claire Burwell am leidenschaftlichsten für den umstrittenen Gewinner ein. Als Betroffene, die ihren Mann bei dem Attentat verlor, hat ihre Stimme besonderes Gewicht. Doch als die Entscheidung an die Öffentlichkeit gelangt, gerät Claire ins Visier entrüsteter Familienangehöriger und wird zur Zielscheibe sensationshungriger Journalisten, radikaler Aktivisten und ehrgeiziger Politiker. Nicht zuletzt bringt der so komplizierte wie begabte Architekt sie an ihre Grenzen. zur Autorin: Amy Waldman, 1969 in den USA geboren, ist eine Journalistin und Autorin, die an der Yale-University studierte.... siehe Wikipedia -Link Quelle Wikipedia . bitte hier klicken! zum Buch: Genre: Gegenwartsliteratur Übersetzung aus dem Amerikanischen: Brigitte Walitzek erschienen im: Heyne Verlag (Taschenbuch) herausgegeben: 2011 Seitenzahl: 506 unsere Lesekreiserfahrungen: Zum Plot: Der gute Wille, die besten Absichten waren da…eine Gedenkstätte für die Opfer des Terroranschlags vom 9. September… Die Romanfiktion spielt 2 Jahre nach 9/11, als eine 13- köpfige Jury in einer anonymem Ausschreibung für eine Gedenkstätte entscheiden soll. Die Entscheidung der Jury fällt auf den Entwurf eines Architekten namens Mohammad K….. Schon ist der Selbstläufer einer Tragödie vorprogrammiert… Gefallen hat: Die Personen sind ausnahmslos lebendig gezeichnet, immer mit Hintergrundinformationen über deren Familien, Werdegang. Sehr realistisch die Darstellung der fortschreitend negativen Stimmung, gleich einem Hexenkessel. Gebannt folgen wir dem Fiasko, das, bei aller Bestürzung nachvollziehbar, zum Attentat und Tod Asma‘s führt. Als besonders eindrücklich werden die Entstehung von Fake-News aufgezeigt, und das unverantwortliche Verhalten der Regenbogenpresse : Das Spiel mit Emotionen, Informationen aus dem Konsens gerissen, Effekthascherei um jeden Preis. Seite 419 „ein Foto von Asma nahm die ganze Titelseite ein - lachend, den Kopf zurückgeworfen mit blitzenden Zähnen, als amüsiere sie sich über das Wort, das in riesigen Lettern über ihrem Gesicht stand: illegal“ Ebenso geschickt dargestellt die Einflussnahme der Presse: Seite 213: „Zweifelsfrei hat Mohammad Khan jedes Recht, seine Gedenkstätte zu bauen, hieß es in dem wöchentlichen Kommentar des Chefredakteurs des New Yorker. Die Frage ist, ob er sie bauen SOLLTE.“ Besonders berührend fanden wir : „Steinmännchen“ Seite 146 :„die Idee- impulsiv kreativ- hätte von Cal (Vater Williams) stammen können. Bevor sie aufbrachen, suchte Claire im Wörterbuch nach dem richtigen Begriff und fand Steinhaufen -als Grenz oder Orientierungszeichen, Denkmal etc., aber auch Steinmann, Steinmännchen aufeinander gestapelte Steine in Form kleiner Höhe oder Türmchen als Wegzeichen“. (…)dass er seinem Vater auf diese Weise half, den Weg nach Hause zu finden, ..).“ „kindliche Totenbeschwörung“. S.159: „William, der glaubte, auf diese Weise die Steine zum Leben erwecken, oder seinen Vater nachhause locken zu können.“ Versuch der Trauerverarbeitung: Seite 98: Sean„(...), wenn er abends zurück nach Brooklyn fuhr, war es, als kehrte er von einem Krieg nach Hause zurück… seine Frau sagte er rieche nach Tod und er konnte nicht verstehen, dass sie sich davon abgestoßen fühlte. der Staub, den er mit nach Hause brachte, war ihm heilig. Er schüttelte Schuhe und Hemd über Zeitungspapier aus, um ihn zu sammeln und aufzubewahren.“ Gestört hat uns: Am Ende des Romans gibt es einen exorbitanten Zeitsprung von 20 Jahren, Khan, nun nahe der 60, der inzwischen in Mumbai, dem früheren Bombay lebt, gibt 2 amerikanischen Reportern ein Interview, die einen Doku-Film über die damalige Ausschreibung und das Schicksal der darin verknüpften Personen gedreht haben. Für uns ein zu abrupter Break. Wir sprachen über: Problematik der illegalen Opfer: Asma Seite 122: „Wie konnte man tot sein, wenn man gar nicht existierte? Von den 40 Menschen aus Bangladesch die in den Tagen nach den Anschlägen bei ihrem Konsulat als vermisst gemeldet wurden, waren nur 26 legal im Land. Asma Anwars Mann gehörte nicht zu ihnen. Diejenigen die keine Dokumenten hatten könnten konnten bedauerlicherweise auch nicht gezählt werden, beharrten die Konsulatsmitarbeiter. (….)der Witwe keine finanzielle Unterstützung zukommen lassen. (…) es gab keinen Inam Anwa (….“, Die Gier nach Macht, der Egoismus der Politiker: Paul Seite 425: „Gouverneurinnen sollten besser eine Erklärung parat haben“. er fing sich einen finsteren Blick ein……., sie würde darlegen, dass sie nur versucht hatte, die Gedenkstätte, ganz Amerika, gegen die islamistische Bedrohung zu verteidigen. Selbst wenn der Staat das Verfahren verlor, würde sie gewinnen. Bisher waren ihre Umfragewerte jedes Mal, wenn sie gegen Khan in die Offensive gegangen war, gestiegen. Er war ihr Sauerstoff.“ Seite 427 „Die Gouverneurin führte die Attacke noch weiter: „ ich fühle mit Asma Anwar, aber sie stellt ein ernsthaftes Problem dar. wenn wir nicht aufpassen, wer durch unsere Türen kommt, sterben Tausende von Amerikanern. solange ICH diesen Staat leite, werde ich nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.“ Populismus „hatten Politiker die Stimmung der Öffentlichkeit aufgepeitscht, geschürt vor den zahllosen nicht erfassen Muslimen aus Bangladesch, die es in New York gab, angefangen bei Asmas totem Ehemann. „auch wenn niemand sonst es tut, ich stelle die Frage“, hatte Lou Sarge in seiner Sendung gezetert: „.was hat ihr Mann in den Türmen gewollt?“ S. 427 Die Veränderung der Personen und ihrer Standpunkte: Mo wird zum praktizierenden Muslim. Nachdem er sich von seinen Landsleuten im Stich gelassen fühlt. Seite116/117: Gespräch mit Paul Rubin. „Ganz gleich, was für eine Art Muslim Khan bis jetzt gewesen war, es würde als ein aufgebrachter von hier weggehen.“ Seite 427: Asma resigniert „zu gehen war ihre eigene Entscheidung, irgendwie aber auch nicht. In den Tagen nachdem ihr illegaler Status bekannt geworden war, hatten Politiker die Stimmung der Öffentlichkeit aufgepeitscht, die Angst…. Seite 448: Sean überlegt, den Kampf gegen Khan aufzugeben, zu unterlassen. Zum Buchtitel - Die Übersetzung des Titels ins Deutsche: Die Doppeldeutigkeit der „Submission“ Die Unterwerfung Die Einreichung Die Einreichung - üblich im Baugewerbe bei Ausschreibungen, die Bewerbung um einen Auftrag. Die Unterwerfung – wer unterwirft sich wem? Mo letztendlich der öffentlichen Meinung? Er verlässt das Land, arbeitet nie mehr für die USA Veränderung Claire der öffentlichen Meinung, beispielsweise das Kinder-bullying Seite245? Sie stößt an ihre Grenzen, als Mo zu kompliziert, introvertiert ist, um sich zu erklären, Fazit: Der Roman ist ungeheuer vielschichtig. Ein Buch, das sehr stark die Selbstreflektion fordert: immer wieder fragt man sich, wie würdest du handeln, entscheiden? - Wir empfehlen es!! Die Realität ist immer noch schräger als die Fiktion Doris Dörrie

  • Lesekreis-Erfahrungen Eva schläft | Mysite

    Lese-Erfahrungen in unserem Lesekreis: Francesca Melandri: Eva schläft Wie hat es uns gefallen: Die Autorin verpackt die Geschichte Südtirols geschickt in einen fiktiven Generationenroman. Die historischen Kontexte sind atmosphärisch dicht verflochten. Es beginnt 1919 mit dem Großvater Hermann der als 11-jähriger Waise wird, weil seine Eltern Ende des 1. Weltkriegs an der Spanischen Grippe sterben. Als jüngerer Sohn kann er den Hof nicht erben, sondern muss sich als Knecht in Deutschland verdingen. Die Folgen des 1. Weltkriegs, die er erlebt und die turbulenten Umbrüche in seiner Region lassen ihn zum Faschisten und später zum Nazi werden. Wir erleben die Diskriminierungen seiner Tochter Gerda, die wiederum mit 16 Jahren als Küchenmädchen in ein Kurhotel weggegeben wurde. Eineinhalb Jahre später ist sie schwanger, der künftige Vater heiratet sie nicht. Er ist der Sohn eines Freundes von Hermann, der in die Familie eines Textilfabrikanten eingeheiratet hat, Hannes. Sie versucht in ihrer Not und Verzweiflung die Schwangerschaft abzubrechen, mit grausamen Versuchen an sich. Es folgt der Verlust des Elternhauses für Gerda, (ihre Mutter erleidet bei ihrem Besuch einen tödlichen Herzinfarkt, ihr Vater wirft sie daraufhin hochschwanger aus dem Haus. Eva wird bei Nonnen geboren, einem nationalen Hilfswerk in Bozen Seite 126 „Wer hier eintrat, tat das nicht aus freien Stücken, sondern weil ihm keine andere Wahl blieb“. Die ersten Monate verbringt das Neugeborene in einer Apfelkiste versteckt im Hotelbetrieb, später muss Gerda Eva zu Pflegeeltern geben und sieht sie nur noch 2 Monate im Jahr. Was hat uns gefallen: Während der Zugfahrt von Eva, inzwischen 40jährig, entspinnt sich in Zeitsprüngen die Tragik der Familie über Generationen, in den Zeiten des Südtiroler Freiheitskampfs, als Reaktion auf faschistische Integrationspolitik. Der Zug soll Eva zu der einzigen Vaterfigur (Vito) bringen, die sie jemals hatte, und sie unerwartet wieder verließ. Vito liegt im Sterben. Die Zugreise führt 1400 km quer durchs Land und durch 70 Jahre der jüngeren italienischen Geschichte, während Eva ihre Erinnerungen, familiäre Verluste und zwischenmenschliche Verletzungen reflektiert. Die Spezialität der Autorin sind eindrückliche, oft kleine Szenen und Bilder, die die Kraft haben, für das ganze Ausmaß einer Situation zu stehen. Szene Seite 138, als Hannes fragt, ob er sein Kind sehen kann: „Die Schwester Pförtnerin presste das Kinn gegen die Brust und schaute ihn von unten herauf an. „Ja, wenn du ihr deinen Nachnamen gibst.“ Szene S. 274 als die alte Frau, die 4 Söhne verlor und kein Grab zum Beweinen hat, an den Särgen von 4 Alpinis, Sprengstoffopfer steht: „Sanft fuhr sie mit der Hand über jeden einzelnen Sarg…(..) mehr als ein Vierteljahrhundert zuvor hatte der Krieg der Frau alle vier Söhne genommen, die ungefähr das Alter der vier Gebirgsjäger in den geschlossenen Särgen hatten.“ Szene S. 395 als beim Angebot Hannes zum Beischlaf Gerda den Kochlöffel schwingt, und er noch Glück gehabt hat. S.395 „Gerda zielte und schleuderte dem Vater ihrer Tochter den Kochlöffel ins Gesicht.“ – zuvor hatte sie mit einem Hackebeil eine Rinderschulter entbeint ..😉 Lieblingsfiguren: Die zentrale Figur und Protagonistin des Werks ist für uns Gerda, die Mutter Eva’s. - Der Charakter Eva‘s wurde nicht so herausgearbeitet, ist schwächer gezeichnet und ergeht sich hauptsächlich in absoluter Bewunderung ihrer Mutter. Sehr beeindruckend ist Vito mit seiner Fürsorge um die ihm anvertrauten Soldaten, obwohl er nur wenige Jahre älter ist und seinem starken Gerechtigkeitssinn, gegenüber der Südtiroler Bevölkerung. Eine Lieblingsstelle der feinen Ironie: Seite 84: „Paul“ (Vater von Hannes, dem „Erzeuger von Eva)“ hatte die Erstgeborene einer wohlhabenden Familie von Textilfabrikanten geheiratet. Seine 4 Töchter waren in der Schweiz erzogen worden, fernab von diesem Tal mit seiner kargen, bäuerlichen Lebensweise. Schließlich galt es ihren Sinn für das Unwesentliche zu verfeinern, damit sie später auch Zugang zu den gutbürgerlichen Kreisen erhielten“. Ereignisse, die uns besonders erschüttert und berührend haben: Oft ist die Empathielosigkeit der Charaktere erschreckend. Seite 264 : Das Verwandtschaftsverhältnis: „Der da ist dein Opa.“….. „So lernte Eva, was ein Opa war: ein alter, ausgemergelter Mann, bei dem man, wenn er einen ansah so traurig wurde, dass man gar nicht mehr leben wollte“. Darstellung der elterlichen Macht durch die traditionelle Rollenverteilung in den 60er Jahren Gerda wird einfach ins Kurhotel gegeben; Vito findet kein Verständnis von seiner Mutter, sie will nicht, dass er Gerda heiratet, die Schwester eines Terroristen, ledig mit Kind Darüber hinaus politische Rahmenbedingungen die persönliche Bindungen belasten: Eine Unmöglichkeit, dass Gerda und der Carabinieri Vito eine Familie werden können – Vito ist italienischer Staatsbediensteter. Leidensweg wegen Homosexualität: Eva‘s Cousin und bester Freund Uli outet sich, mit der Folge, dass er sich das Leben nimmt. Zitate: „Mein Reisepass ist italienisch, meine Sprache Deutsch, meine Heimat ist der südliche Teil Tirols, dessen übrige Teile, Nord- und Osttirol, allerdings in Österreich liegen. Für uns heißt dieser Teil Südtirol, doch im Italienischen sag man ‚Alto Adige’ oberes Etschland, denn das ist ja der eigentliche Unterschied: Entscheidend war immer, von wo aus man das Land betrachtet, von oben oder von unten.“ Was uns gestört hat, kritisiert wurde: Die überzeichnete überschwängliche Schilderung der Schönheit Gerdas, vielleicht eine ironische Beschreibung, die der heißblütigen südländischen männlichen heterosexuelle Perspektive auf die Frau geschuldet ist. Beim Schluss des Romans wurde das rasche plötzliche Verzeihen Evas gegenüber Gerda angezweifelt. Vergleich: mit Balzanos „Ich bleibe hier“ der Thematik wegen: Beide Romane spiegeln die Verwerfungen und Umbrüche in Südtirol wider – insbesondere die Assimilisierungs-Politik, sie Umsiedlungen und den Widerstand der Bevölkerung. Verbot des Deutschunterrichts, Zwang zur italienischen Sprache im Alltag, Katakomben Schule als Widerstand Fazit: Zusammengefasst will Francesca Melandri mit ihrem Werk und ihren Aussagen vor allem dazu anregen, Geschichte nicht zu vergessen, sich mit der eigenen Identität kritisch auseinanderzusetzen, Empathie in den Mittelpunkt zu stellen und individuelle Verantwortung für Gesellschaft und Frieden zu übernehmen.

  • Lesekreis-Erfahrungen Heute beissen die | Mysite

    Lese-Erfahrungen in unserem Lesekreis: Heute beissen die Fische nicht von Ina Westmann Wie hat es uns gefallen: Eine idyllische Insel im finnischen Schärengarten, 3 Protagonisten und deren ernster Hintergrund: Die Geschichte schickt uns durch eine emotionale Reise durch die Gedankenwelt der Charaktere: Emma , psychologisch, sozial und physisch leidend unter den Auswirkungen ihrer Arbeit als Fotojournalistin oft in Krisen- Gebieten. Die Symptome der traumatischen Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit wirken sich zu Problemen auf das Familienleben aus. Emma kämpft darum ihre Vergangenheit mit ihrer Gegenwart in Einklang zu bringen. Ihre Halluzinationen verwischen die Grenzen zwischen Realität und Illusion. Dieser Aspekt der Geschichte, wirft Fragen über die Wahrnehmung und die Zuverlässigkeit der eigenen Erfahrungen auf. Joel , Pädagoge, steht auf der Seite der Wissenschaft, still, eher introvertiert. Joel hadert, kämpft mit Emmas Zustand, er möchte sie vor ihren Dämonen beschützen und gleichzeitig Stabilität für seine Tochter schaffen. Um in der maritimen Symbolik zu bleiben, er möchte der Anker der Familie sein. Fanni , die gemeinsam adoptierte Tochter aus Kenia ist 5 Jahre alt und auf der Suche nach ihren Wurzeln, ihrer Identität. Sie ist ein aufgewecktes Kind mit dunklen Haaren, das in der Gesellschaft der vermutlich hellhäutigen finnischen Küstenbewohner fremdartig wirkt und auffällt. Was hat uns gefallen: Geschickt setzt die Autorin die Abgeschiedenheit der Insel ein, die die Beziehungen und Konflikte innerhalb der Familie intensiviert. Joel, Emma und ihre adoptierte Tochter Fanni leben auf engem Raum, ohne große Ablenkungen. Es gibt keine Fluchtmöglichkeiten in die äußere Welt. Sie sind gezwungen, zwischen Realität und Visionen zu unterscheiden und diese in Einklang zu bringen. Das Buch gliedert sich in kurze, prägnante Kapitel, mit poetischer schöner Sprache, die wie Flash-Backs der einzelnen Protagonisten wirken. Bei der aufgezeigten Problematik ist der Schreibstill nie wertend oder moralisierend. Die kurzen Abschnitte sind wohltuend und begünstigend für den Lesefluß. Kritik – Eindruck: Das Meinungsspektrum der Lese-Gruppe geht diesmal von einem „sehr vielschichtig“ (angenehm) bis zu Themen überladen (unangenehm). Familien- Dynamik und Isolation psychische Gesundheit und Trauma Identität und Selbstfindung Adoption und Zugehörigkeit, Integration Rassismus Kriegs-Traumata Flucht und Migration Krisengebiete mit Hungersnot Umweltprobleme Uns hat am meisten berührt: Sehr berührend empfanden wir die Gespräche zwischen der kleinen Fanni mit dem Großvater. Die Familie im Jetzt und im Jenseits. Die besondere Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern, die oft intuitiv Atmosphären und Stimmungen intensiver als Erwachsene erfassen, wird hier einfühlsam dargestellt. Die spirituelle Verbindung Fannis mit dem Großvater , den sie als guten Geist aus dem Jenseits und unsichtbaren Freund erlebt, ist sehr bewegend, geht unter die Haut und berührt das Herz. Unser Lieblingscharakter: Als Favorit wurde Joel gewählt, der sich bemüht, Emma zu helfen, sie zu unterstützen und Halt zu geben auf ihrer Suche nach sich selbst, ihrem inneren Frieden. Gleichzeitig versucht er, sie in Einklang mit Fanni zu bringen. Trotz seiner Ängste und Unsicherheiten, möchte er die Familie schützen, und seinen Werten wie Umweltschutz und vegetarische Lebensweise treu bleiben. Zeitgeist: Gerade bei dem Thema Familiendynamik wurde darüber diskutiert, ob der Zugang zu einer Fülle von Informationen, darunter auch Fehlinformationen, die heutige Familiensituation möglicherweise zusätzlich belasten könnte. Die im Roman angesprochenen Themen spiegeln dabei viele der persönlichen und kollektiven Herausforderungen wider, mit denen moderne Familien konfrontiert sind und als Belastung empfunden werden. Fazit: Noch einmal werden wir maritim 😉: Fische als metamorphisches Symbol für verborgene Wahrheiten und Erinnerungen, die nicht immer leicht zu fassen sind. In den Tiefen unserer Seele schwimmen Erinnerungen wie scheue Fische, - manchmal beißen sie, manchmal nicht.

  • Lesekreis-Erfahrungen Die hellen Tage | Mysite

    Lesekreis-Erfahrungen: Die hellen Tage: Kleine Einstimmung und freie Assoziation "Der hellen Tage", deren Geschichte in und um Heidelberg, später bis nach Rom führt ;-) Rom - mit freundlicher Genehmigung und zur Verfügung-Stellung von Frau Marliese Will Wie hat es uns gefallen? Ein Mut-Mach-Buch über das Erwachsenwerden mit immer wieder positiven Elementen und Wendungen des Lebens. In der Erzählung finden sich Alle wieder. Mit dem Aspekt des häufigen Draußen-Seins, bereichert durch die Wahrnehmung des Kindes, das alle Umstände noch heller, noch strahlender, glücklicher empfinden lässt. Die Geschichte beginnt mit der Kindheit in den 60er Jahren und endet um die Zeit des Mauerfalls. Sie lässt uns teilhaben am Erwachsenwerden, der Pubertät, dem Abschied vom Zuhause und dem Aufbruch zum Studium nach Rom und schließlich die Rückkehr. Inhaltlich geht es außerdem um Trauer, Verluste und Verlassenwerden, Verrat und Lügen. Wie finden wir die Beschreibungen? Bildreich und farbig, geradezu poetisch die Beschreibung der Farben, Stimmungen, Landschaften und die Gefühlswelten der Protagonisten. Dadurch fühlt man sich schnell in die Geschichte „mit hineingenommen“. Die Autorin berichtet mit viel Einfühlungsvermögen, jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger. Die Erzählperspektive hat Tagebuch-Charakter. Sie ist fortlaufend chronologisch, es wird nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart gewechselt. Welche der Figuren stehen uns am nächsten? Allen voran die unkonventionelle Evi, die mit all ihren Schrulligkeiten sehr liebenswert wirkt. Im Prinzip sind alle Figuren sympathisch, weil in ihrer Gefühlswelt nachvollziehbar, lediglich Ellen und Zigi könnte teilweise Egoismus unterstellt werden, was beide unsympathischer erscheinen lässt. Zigi gewinnt allerdings am Ende wieder an Sympathie, da er seine Bedürfnisse zugunsten von Evis Erkrankung hintenanstellt. Die weiblichen Figuren, insbesondere die Mütter, werden als starke Persönlichkeiten geschildert, die maßgebliche Stützen für andere sind. Zusammen flechten sie ein tröstliches Netzwerk, das die Kindheit und Problematik der besonderen Umstände auffängt und trägt. Unsere Lieblingsstellen / Zitate: Zitat Seri: „Wir laufen durch Kirchblüt, und alles ist anders, wir haben es verloren, so wie wir die Orte unserer Kindheit verlieren, zum 1. Mal, wenn wir keine Kinder mehr sind, und später noch einmal, wenn wir als Erwachsene zurückkehren und uns wundern wie sie wirklich aussehen“ „Wir hatten unsere Mütter, und trotz deren kleinen und großen wunden, die sie uns zufügten, klammerten wir uns an sie und hielten uns fest an ihren Händen, als könnten wir sonst umfallen, als könne uns etwas zustoßen, in der Zeit, in der wir Abschied nahmen von den vielen Dingen, die unsere Kindheit eingerahmt hatten“. Was hat am meisten berührt? Einig waren wir uns bei der Szene, in der Evi ihren Wunsch nach einer Grabinschrift äußert: „Die hellen Tage behalte ich, die dunklen gebe ich dem Schicksal zurück.“ Darüber hinaus haben uns viele unterschiedliche Szenen sehr stark berührt, weil man sich den Figuren durchwegs sehr nahe fühlt. Würden wir das Buch empfehlen? Das Buch würden wir in jedem Fall empfehlen und darüber hinaus auch verschenken, evtl. mit dem Hinweis, sich nicht von über mehreren Zeilen ausufernden Sätzen abschrecken zu lassen. – Wir befinden vom Buchhandel zu Recht als „Hochkaräter“ bezeichnet!

  • Juli Zeh: Neujahr | Mysite

    Juli Zeh: Neujahr Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passsieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femès. Damals hat sich etwas Schreckliches zugetragen - etwas so Schreckliches, daß er es bis heute verdrängt hat, weggesperrt irgendwo in den Tiefen seines Wesens. Jetzt aber stürzen die Erinnerungen auf ihn ein, und er begreift: Was seinerzeit geschah, verfolgt ihn bis heute. zur Autorin: Klappentext: Juli Zeh (bürgerlich Julia Barbara Finck; geb. Zeh; Pseudonym Manfred Gortz; geboren 30. Juni 1974 in Bonn ist eine deutsche Schriftstellerin , Juristin und Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburgs , die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde und auch durch ihr gesellschaftlich-politisches Engagement bekannt ist. Neben ihrer literarischen Arbeit betätigt sich Juli Zeh auch journalistisch. Sie schreibt u. a. Essays für Die Zeit und die FAZ . Quelle Wikipedia - klick hier Erfahrungen im Lesekreis: Wie hat es uns gefallen? Unser üblicher Einstieg in die Diskussion, ist in diesem Buch schlecht anwendbar. „Gefallen“ ist nicht die richtige Begrifflichkeit. Fesselnd mit Sicherheit, oft verstörend und aufwühlend. Es hat ein interpretationsfähiges Open End, bietet durchgängig Diskussionsgrundlagen. Sämtliche Muster von Kommunikationsstörungen treten zutage. Die menschlichen Abgründe und deren Folgen, zeigen die Hilflosigkeit mit der der Einzelne zu kämpfen hat – posttraumatische Belastungsstörungen – für Henning und seine Schwester Luna. Wie finden wir die Beschreibungen? Der Inhalt und Aufbau des Romans ist gut strukturiert, stellt das dunkle „ES“ des Protagonisten Henning in den Vordergrund. (Sigmund Freud des Unterbewusstseins „ICH und ES“). Seine Panikattacken, die er durch Sport auspowert und in den Griff zu kriegen sucht. Sein Ehrgeiz, der Rolle als gleichberechtigter Partner in einem zeitgemäßen Familien-Modell gerecht zu werden krampft. Er und Theresa, seine Frau kümmern sich zu gleichen Teilen um die Erziehung der Kinder, sowie den finanziellen Unterhalt. Er hat jedoch immer das Gefühl, es genügt nicht, sei nicht genug und fühlt sich überfordert, - ist es. Es geht ihm schlecht. Das Zerrbild einer modernen Familie entsteht, das Gefüge hält nicht zusammen. So hautnah beschrieben, dass die Szenerie an Munch’s „Der Schrei“ erinnert, so greifbar ist die Verzweiflung, die Aussichtlosigkeit, Depression. Welche der Figuren stehen uns am nächsten: Es gibt hier keine Lieblingsfiguren, Menschen, die man gerne näher kennen möchte, denen man gerne begegnet wäre. Es sind keine Identifikationsfiguren vorhanden, es ist rein Hennings seelenwundes Kindheitstrauma, seine Geschichte. Unsere Lieblingsstellen / Zitate: „Wenn er versucht, falsche Gedanken zu vermeiden rennt er wie ein gehetztes Reh durch den eigenen Kopf „ „Schließlich kommt es im Leben immer und überall darauf an, ob etwas funktioniert, und solange alles funktioniert, muss man eigentlich auch nichts machen“ Was hat uns am meisten berührt? Die furchtbare Situation der verlassenen Kinder, die Verzagtheit Hennings, alles „richtig“, verantwortungsbewusst mitdenkend zu machen, Luna gegenüber, nach Lob, Anerkennung der Eltern heischend. Die Kinder, die sich durch Stunden und Tage quälen, Henning immer in seiner Beschützerrolle für Luna. Bei manchen Teilnehmerinnen ist die Grenze der erträglichen Vorstellung anhand der Leiden der Kinder erreicht. Die Lieblosigkeit, das lange Schweigen der Mutter: „Ich hatte schon lange auf deinen Anruf gewartet“ Die Liebe der Geschwister, die gefühlte Verantwortlichkeit Hennings für Luna bis ins Erwachsenen-Dasein, die er nicht abgeben kann. Was hat uns nicht gefallen? Eindeutig der Schluss: Eventuell zu schnelles Ende einer dramatischen Entwicklung – Rauswurf Lunas, um für sie dadurch ihre Selbständigkeit zu erzwingen – fraglich - Befreiung für Henning - fraglich Würden wir das Buch empfehlen? Das Buch würden wir absolut empfehlen und auch verschenken, unter Umständen mit Vorwarnung, dennoch ein Lese-Erlebnis!

  • Robert Seethaler: Das Café ohne Namen | Mysite

    Robert Seethaler: Das Café ohne Namen Klappentext: Wien im Jahr 1966. Robert Simon verdient sein Brot als Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt. Er ist zufrieden mit seinem Leben, doch zwanzig Jahre nach Ende des Krieges hat sich die Stadt aus ihren Trümmern erhoben. Überall wächst das Neue, und auch Simon lässt sich mitreißen: Er pachtet eine Gastwirtschaft und eröffnet sein eigenes Café. Das Angebot ist überschaubar und genaugenommen ist es gar kein richtiges Café, doch die Menschen aus dem Viertel kommen, und sie bringen ihre Geschichten mit - von der Sehnsucht, vom Verlust, vom unverhofften Glück. Sie kommen auf der Suche nach Gesellschaft, manche hoffen sogar auf die Liebe, und während die Stadt um sie herum erwacht, verwandelt sich auch Simons eigenes Leben. zum Autor: Robert Seethaler, geboren 1966 in Wien.. Wikipedia zum Buch: Genre: Roman, liter. Fiktion Verlag: Claassen erschienen: 2023 Seitenzahl: 283 zu unseren Lesekreis-Erfahrungen

  • Lesekreis-Erfahrungen Herkunft von Sas | Mysite

    Lese-Erfahrungen in unserem Lesekreis: Saša Stanišić zum Buch Herkunft Herkunft ist Saša Stanišić's persönlichster Roman, er erzählt seine eigene Familiengeschichte, und von Jugoslawien, einem Land, das es nicht mehr gibt. Der Roman ist nach eigenen Aussagen essayistisch, fiktional, biografisch. Er ist am 7. März 78 in Višegrad geboren, heute Bosnien. Im Alter von 14 Jahren ist er mit der Familie 1992 nach Heidelberg vor dem Bosnienkrieg geflohen. In Heidelberg lebten sie in einem migrantisch geprägten Viertel der Stadt. Er erzählt von seinen Erinnerungen der Kindheit, von der Ankunft in einem fremden Land als Jugendlicher und die folgende Entwicklung. Ich möchte in diesem Zusammenhang bewusst auf den Begriff „coming-of-age“ verzichten. Es ist sein Anliegen, seine Geschichte und die seiner Familie festzuhalten, die Erinnerung zu „konservieren“. Sein Roman „Herkunft“ sei ein Fragen nach neuralgischen Punkten, betont er im Deutschlandfunk. Als die Eltern 1998 in die USA gehen, (sie wandern nach Florida aus, um der Abschiebung ins ethnisch gesäuberte Višegrad zuvorzukommen) bedeutet das für Saša eine weitere Phase der Entfremdung und Anpassung an neue Lebensumstände.- Seite 66: "Meine Familie lebt über die ganze Welt verstreut. Wir sind mit Jugoslawien auseinandergebrochen, und haben uns nicht mehr zusammensetzen können". Der Auslöser zum Schreiben des Romans sagt er in einem Interview, "war die Demenz meiner Großmutter Christina. Ihr Vergessen der Geschichten und der eigenen Geschichte, das dazu geführt hat, dass ich ihr Fragen stelle.“ Die Großmutter lebt bis zu ihrem Ende in Bosnien. „Ich habe nach ihren Erinnerungen gesucht, gleichzeitig hat sie ihre Erinnerungen verloren. „ Wie hat es uns gefallen: Wir sind alle einer Meinung: Das Buch hat uns beeindruckt, die Geschichte sehr berührt. In Ton und Sprache sind seine Episoden vielschichtig, mit sehr viel Liebe fürs Detail wiedergegeben, reich an Metaphern. Es ist in der Tat ein Lesevergnügen. NDR Kultur spricht mit Recht von einem "besonderen Stanisic-Ton" 😉 Was hat uns gefallen: Ohne den Ernst und die Trauer zu schmälern, gelingt ihm eine Leichtigkeit des Erzählens. Ein Mosaik aus Erinnerungen, Anekdoten, Parallelmontagen und Selbstreflektion. Seite 5: „Es ist der 7. März 2018 in Višegrad, Bosnien und Herzegowina. Großmutter ist siebenundachtzig Jahre alt und elf Jahre alt." Seite 38: „Die Schlange sieht von ihrem Baum auf mich herab und aus meiner Kindheit in mich hinein☹….) Schon bin ich 30 Jahre jünger, ein Junge in Višegrad. Es ist ein Sommer vor dem Krieg in den unruhig träumenden Achtzigern. Vater und Mutter tanzen.“ Seite 269: „Es ist der 17. August 1992. Mutter steigt in den Bus, ich folgte. Es ist der 27. April 2018. Mutter löscht die Zigarette und steigt wieder ein. Wir fahren weiter:“ Besonders berührt hat uns: Dr. Heimat Seite 175: Ein empathischer Zahnarzt, der seine Berufung lebt: Außer die Karies bei Saša und seinen Freunden unentgeltlich zu behandeln zu behandeln, versucht er die Einsamkeit des Großvaters zu lindern. – Er lädt den Großvater zum Angeln ein. Seite 184 : Die Scham – Saša möchte niemanden mitnehmen in sein zuhause in Heidelberg „Man sah ja, wie es uns wirklich ging“ Die Tragik Herkunft teilweise zu verschleiern, oder neu zu erfinden, um Stigmatisierung oder Festlegung zu umgehen. Seite 114: „Zoki kommt ins Klassenzimmer,..(…). Jeder trägt sich ein. Es gibt drei Spalten: Moslem / Serbe / Kroate. Alle versammeln sich, alle zögern. Seite 229 „Ich habe das Betrügerische der Erinnerung satt und das Betrügerische der Fiktion allmählich auch (….) Wie dünn Vater in Deutschland am Ende doch war.“ Wir haben diskutiert über die verschiedenen Möglichkeiten zum Ende des Romans: Die diversen Alternativen sind im Lesekreis auf wenig Gegenliebe gestoßen. Lieblingszitate: "Meine Großmutter besaß ein Nudelholz, mit dem sie mir Prügel androhte. Es kam nicht, ich habe aber bis heute ein reserviertes Verhältnis zu Nudelhölzern und indirekt auch zu Teigwaren." Seite 7 "Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat." Seite 12 "Jedes Zuhause ist ein zufälliges dort wird du geboren, hierhin vertrieben…" Seite 119 "Ich glaube, dass es wenig Schlimmeres gibt, zu wissen wo man hingehört, aber nicht dort sein zu können ." Seite 170 „Herkunft bleibt doch ein Konstrukt, es ist doch nur eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. Als solches ein Fluch, oder mit etwas Glück ein Vermögen, das keinem Talent sich verdankt, aber Vorteile und Privilegien schafft.” Fazit: Wir stimmen der Verleihung "Deutscher Buchpreis 2019" absolut zu 😉, empfehlen das Buch und würden es auch verschenken - (habe ich schon getan) ...und natürlich noch einmal lesen, um wirklich alle Pointen und Spitzen in sich aufzunehmen!

  • Benjamin Myers: Offene See : | Mysite

    Klappentext: Benjamin Myers: Offene See Der junge Robert weiß schon früh, dass er wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter sein wird. Dabei ist ihm Enge ein Graus. Er liebt Natur und Bewegung, sehnt sich nach der Weite des Meeres. Daher beschließt er kurz nach dem zweiten Weltkrieg, sich zum Ort seiner Sehnsucht, der offenen See, aufzumachen. Fast am Ziel angekommen, lernt er eine ältere Frau kennen, die ihn auf eine Tasse Tee in ihr leicht heruntergekommenes Cottage einlädt. Eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen: unverheiratet, allein lebend, unkonventionell, mit sehr klaren und für ihn unerhörten Ansichten zu Ehe, Familie und Religion. Aus dem Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt, und Robert lernt eine ihm vollkommen unbekannte Welt kennen. In den Gesprächen mit Dulcie wandelt sich sein von den Eltern geprägter Blick auf das Leben. Als Dank für ihre Großzügigkeit bietet er ihr seine Hilfe rund um das Cottage an. Doch als er eine wild wuchernde Hecke stutzen will, um den Blick auf das Meer freizulegen, verbietet sie das barsch. Ebenso ablehnend reagiert sie auf ein Manuskript mit Gedichten, das Robert findet. zum Autor: Benjamin Myers, geboren, 1976, ist Journalist und Schriftsteller.. Dumont Buchverlag zum Buch: Genre: Coming- of- Age-Roman Verlag: Dumont Buchverlag erschienen: 2021 aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Seitenzahl: 265 zu den Lesekreis-Erfahrungen

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